Von langer Hand geplant
Union Busting: Gewerkschaften sollen ins leere laufen, Aktive ausgegrenzt werden
Fast 25 Jahre war Alfred Pfeffer beim Verlag der »Mittelbayerischen Zeitung« beschäftigt, als er am 17. August eher zufällig erfuhr, dass er ab 1. September keine Arbeit mehr haben wird. Kurz zuvor liefen noch Verhandlungen über einen Haustarif. Die Zeitungsfertigmacherei war erst 2014 in eine eigene Gesellschaft ausgelagert worden. Und Pfeffer – immerhin Betriebsratsvorsitzender – befand sich gerade zur Kur, als seine Kollegen zusammengeholt und darüber informiert wurden, dass das Unternehmen stillgelegt wird. Zufall? Die vorgebliche Begründung für das Aus: mangelnde Rentabilität. »Dabei waren die Auftragsbücher voll und die Maschinen liefen rund um die Uhr«, sagt Pfeffer. Die Maschinen laufen nach wie vor. Allerdings wird die Arbeit nun über eine andere Tochtergesellschaft des Verlages erledigt – und größtenteils von »günstigeren« Leiharbeitern.
Das hat Methode
Für ver.di-Gewerkschaftssekretär Pascal Attenkofer liegt der Fall klar: »Das war von langer Hand vorbereitet. Man wollte die langjährigen und gewerkschaftlich gut organisierten Beschäftigten einfach loswerden, um die Rendite zu erhöhen.« Von Verlagsseite seien die Haustarif-Verhandlungen zunächst immer wieder verzögert worden. »Ein Altersteilzeittarif wurde zwar abgeschlossen, aber dann niemandem bewilligt.« Schließlich erklärte die Geschäftsführung ihren Übertritt zum Arbeitgeberverband Papier, Pappe und Kunststoffverarbeitung, was rund 20 Prozent weniger Lohn bedeutet hätte. Zeitgleich zu den Verhandlungen mit Gewerkschaft und Betriebsrat wurden über andere Unternehmen längst Leiharbeiter angeworben und angelernt. »Nachdem das abgeschlossen war, brach die Geschäftsführung die Verhandlungen ganz ab«, sagt Attenkofer. »Auf unsere Angebote, zum Beispiel für einen Überleitungstarif, wurde nicht mehr eingegangen.« Stattdessen ging die Botschaft an Betriebsrat und Gewerkschaft: Das Unternehmen wird stillgelegt und ihr seid draußen. Attenkofer: »Das war Union Busting wie aus dem Lehrbuch.«
Mit der praktischen Umsetzung hat der Verlag einen Rechtsbeistand beauftragt: Professor Johannes Weberling ist ein renommierter Presserechtler. Weniger bekannt ist seine Tätigkeit als kompromissloser Arbeitgeberanwalt für Zeitungsverlage. Berliner Verlag, Nordkurier, DuMont Schauberg, Weser-Kurier und Küster Pressedruck lauten die Namen einiger Häuser, für die Weberling tätig war. Immer ging es um Auslagerung, Tarifflucht und die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen. Der Publizist Werner Rügemer bezeichnet Weberling als »Dampframme in der Druckbranche«.
Die Kölner Initiative »work-watch« untersucht seit 2012 Fälle, in denen Arbeitgeber mit rechtlich fragwürdigen Methoden gegen unliebsame Beschäftigte oder Betriebsräte vorgehen. Auch dort ist der Jurist schon massiv aufgefallen, bestätigt Albrecht Kieser: Weberling sei »der Typ Wirtschaftsanwalt, der sich besonders der Zerschlagung und Auslagerung« von Betriebsteilen widmet. »Das ist eine starke Waffe der Unternehmen, weil hier die normalen Mitbestimmungsrechte meist nicht greifen. Dafür ist Weberling offensichtlich Experte.«
Offen oder in der Grauzone
Generell hat sich mittlerweile ein lukratives Geschäftsfeld entwickelt, auf das Arbeitgeber zurückgreifen können, um engagierte Gewerkschafter und Betriebsräte aus ihren Unternehmen zu drängen. Unter Titeln wie »Kündigung von Unkündbaren« oder »In Zukunft ohne Betriebsrat« werben berüchtigte Juristen wie Helmut Naujoks oder die Kanzlei Dr. Schreiner + Partner ganz offen für ihre Publikationen und Seminare. »Arbeitgeber können Schulungen für ihre Führungskräfte buchen oder sich ausgebildete Kräfte in den Betrieb holen, um gegen Betriebsräte vorzugehen. Da ist auch die Brücke zum Mobbing schnell geschlagen«, weiß Albrecht Kieser.
Agieren auch unter Tarnkappe
Ein wichtige Rolle beim Union Busting spielen aber auch arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute wie beispielsweise das Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) in München. Es wird seit 2004 unter anderem aus Mitteln des Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie finanziert. Unter universitärer Tarnkappe wird hier gegen Arbeitnehmerrechte und Mindestlohn agitiert. Arbeitgeber, aber auch Arbeitsrechtler können hier Rat zur Umgehung des Prinzips »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«, über Werkverträge oder zur Vermeidung von Mitbestimmung einholen. »Solche Institute sind ein Scharnier zwischen bösen Buben wie Naujoks und den vermeintlich Sauberen«, sagt Kieser.
Wie die unternehmerischen Strategien und die juristischen Schachzüge im Mittelbayerischen Verlag zu beurteilen sind, bei denen Rechtsanwalt Weberling eine maßgebliche Rolle spielt, darüber entscheidet im kommenden Jahr das Arbeitsgericht. Alle Beschäftigten haben gegen ihre Kündigung geklagt. Gewerkschaftssekretär Attenkofer warnt: »Wenn man in Regensburg damit durchkäme, dann könnte das Vorgehen bei anderen Verlagen Schule machen.
STEFAN AIGNER
Eine ganze Dienstleistungsbranche steht bereit
DRUCK+PAPIER: Was genau ist Union Busting?
Werner Rügemer: Der Begriff stammt aus dem USA und bedeutet wörtlich übersetzt »Gewerkschaften zerstören«. In Deutschland gibt es dazu mittlerweile eine regelrechte Dienstleistungsbranche: Anwaltskanzleien, die Unternehmer schulen und beraten, Wirtschaftsdetektive, die nach Kündigungsgründen suchen, Medienkanzleien, die Betriebsräte mit Unterlassungsklagen bedrohen, wenn sie sich öffentlich äußern. Es gibt Organisationen wie die Bertelsmann- und die Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung oder arbeitgeberfinanzierte Universitätsinstitute wie ZAAR, die Lobbyarbeit leisten und Schulungen anbieten. Und es gibt die sogenannten christlichen oder gelben Gewerkschaften, die niedrige Tarifverträge abschließen oder arbeitgeberfreundliche Betriebsratslisten aufstellen.
Gibt es Branchen, die davon besonders betroffen sind? Wie sieht es bei Verlagen und Druckereien aus?
Die Praktiken gibt es branchenübergreifend und sie gleichen sich weitgehend. Gewerkschafter und Betriebsräte sollen mit allen Mitteln aus dem Betrieb gedrängt werden. Sie werden schlecht gemacht und isoliert. Wenn überhaupt Betriebsräte, dann wird versucht, gemäßigte aus gelben Gewerkschaften zu ins- tallieren. In großen Unternehmen mit hohem Organisationsgrad werden freigestellte Betriebsräte oft besonders privilegiert, um sie so zu mäßigen. Das hat man zum Beispiel bei VW gesehen, wo sogar Bordellbesuche bezahlt wurden. In der Druck- und Verlagsbranche ist das nicht anders als in anderen Bereichen.
Allenfalls die exzessiven Ausgründungen haben etwas später angefangen. Aber wenn man sich nur das Beispiel DuMont anschaut, erkennt man, wie weit das auch hier mittlerweile fortgeschritten ist.
Immer wieder wehren sich aber Beschäftigte und Gewerkschaften erfolgreich gegen das juristische Vorgehen solcher Kanzleien. Ein Lichtblick?
Diese Kanzleien wissen oft, dass sie mit dem, was sie da vorhaben, nicht durchkommen. Sie machen das aber trotzdem. Das übliche arbeitsrechtliche Verfahren wird als Teil einer Zermürbungstaktik eingesetzt. Wir nennen das Rechtsnihilismus.
Wer solche Praktiken anwendet, muss in der Öffentlichkeit klar als das benannt werden, was er ist ein: ein Täter, der vor Gericht gebracht und bestraft werden muss.
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Die Initiative work-watch geht Fällen nach, bei denen Arbeitgeber mit rechtlich fragwürdigen Methoden wie aggressivem Mobbing gegen unliebsame Beschäftigte oder Betriebsräte vorgehen. Dokumentation und Unterstützung von Betroffenen: www.work-watch.de
Die Studie der Otto-Brenner-Stiftung (Werner Rügemer und Elmar Wigand: Union Busting in Deutschland. Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung) gibt es zum Download unter:
www.otto-brenner-shop.de/file admin/user_data/stiftung/ Aktuelles/AH77/AH_77_ UnionBusting_Info.pdf
Werner Rügemer und Elmar Wigand: Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung, Köln 2014,
14,90 Euro, ISBN 978-3-
89438-555-2