Ausgabe 6/2014

    Der Blaue Engel kommt ...

    Der Blaue Engel kommt ...

    Blauer Engel Matthias Berghahn Blauer Engel

    Von Helma Nehrlich

    Kein Zweifel, die Druckbranche belastet die Umwelt hochgradig: Für die Produktion einer Tonne Frischfaserkopierpapier ist so viel Energie nötig wie für die Erzeugung einer Tonne Stahl. Auch der Wasserverbrauch ist enorm. Deutschland ist der viertgrößte Papierverbraucher weltweit mit über 240 Kilogramm pro Person im Jahr. Etwa 2.800 Verlage und über 20.000 weitere Institutionen erzeugen hierzulande Bücher, Zeitungen, Broschüren, Kataloge und andere Drucksachen. Neben Treibhausgasen entstehen dabei flüchtige organische Verbindungen. Auch Druckfarben haben beträchtliche Umweltwirkungen. Die effiziente Nutzung von Ressourcen ist in Druckereien und Verlagen längst ein Thema, doch die Umsetzung oft aufwendig und teuer. »Es lohnt sich finanziell eigentlich nicht«, gilt für Vorreiter wie Lutz Köhler vom Druckkollektiv »Gründrucken« in Gießen noch immer. Jedoch sehen auch Druckriesen wie Prinovis in Umweltaktivitäten zunehmend ein Wettbewerbsargument. Oeding Print in Braunschweig wirbt damit, »Deutschlands erste Nullemissions-Druckerei« zu sein.

    Orientierung für Verbraucher

    Um Kunden und Verbrauchern Hinweise auf nachhaltige Produkte und umweltfreundliche Prozesse zu geben, existieren seit Längerem diverse Zertifizierungslabel. Sie sind allerdings von unterschiedlicher Qualität und nicht nur für Laien schwer zu durchschauen. Abgesehen vom EU-Umweltzeichen für Druckerzeugnisse, der sogenannten Öko-Blume, decken die Zertifikate bisher auch nur Teilbereiche der Druckproduktion ab. Das soll sich nun ändern. Seit November 2013 wurden – gefördert mit Bundesmitteln – Vergabekriterien für einen Blauen Engel für umweltfreundliche Druckerzeugnisse entworfen. Das Umweltzeichen Soll wegen seiner hohen Bekanntheit sowohl Auftraggebern als auch Endverbrauchern unmittelbare Orientierung geben und einen wachsenden ökologischen Standard in der Druck- und Verlagsbranche verankern. Nach regionalen Expertenworkshops mit Druckern, Papier- und Farbherstellern, Wissenschaftlern, Vertretern von Verbänden und Umweltorganisationen liegen nun fertige Vergabekriterien vor. Die Jury Umweltzeichen wird im Dezember 2014 darüber befinden, ob das neue Umweltzeichen im Frühjahr 2015 eingeführt werden kann. Zunächst: Der Blaue Engel ist ein freiwilliges Zeichen für einzelne grafische Druckprodukte oder -produktgruppen. Druckereien oder Verlage können sich also nicht als Unternehmen zertifizieren lassen, müssen aber notwendige Produktionsvoraussetzungen sichern und Nachweise liefern. Ausgezeichnet werden können Druckerzeugnisse, die im Offsetdruck, Tiefdruck, Flexodruck oder Digitaldruck hergestellt sind und Ressourcen schonen. Gemeint sind etwa Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Broschüren, Kataloge, Flyer, Kalender oder Plakate.Verpackungen sind jedoch ausdrücklich ausgenommen.


    Das Ganze im Blick

    Gesichert werden soll die Wiederverwertbarkeit des Druckerzeugnisses als Ganzes. Als Materialien schreiben die Vergabegrundlagen Recyclingpapiere oder -kartonagen vor, die den Anforderungen der Blauen-Engel-Umweltzeichen 14, 72 oder 56 entsprechen. Vertreter von Umweltorganisationen bemängelten in den Expertenrunden, dass für den Frischfaseranteil an Druck- und Pressepapieren nicht grundsätzlich ein FSC-Siegel für nachhaltige Waldwirtschaft vorgeschrieben wird, sondern auch weniger strenge wie PEFC zulässig sind. Ministeriumsvertreter erklärten das als »politische Entscheidung«. Für Druckprodukte, die einen Blauen Engel tragen sollen, dürfen weder PVC, verchromtes Metall oder Klebstoffe eingesetzt werden, die bestimmte Gesundheitsrisiken bergen. In der Druckvorstufe, beim Druck oder in der Weiterverarbeitung eingesetzte Stoffe und Gemische müssen der EG-Verordnung 1272/20084 entsprechen. Sofern Druckfarben und Lacke, Löse- oder Reinigungsmittel nachwachsende Rohstoffe enthalten, sollten diese nicht aus genetisch veränderten Pflanzen und nicht aus Regenwaldabholzung stammen. Hier setzen die Blauer-Engel-Partner auch auf die Zukunft. Etwa auf ein zunehmendes Angebot mineralölfreier Farben. Die übrigen Anforderungen an Tinten, Toner, Druckfarben und Lacke werden in den Vergabegrundlagen ausführlich beschrieben. Eine wichtige Prämisse: die Weiterverwendung der gebrauchten Faserstoffe des Druckerzeugnisses. Eine Voraussetzung dafür ist die sogenannte Deinkbarkeit, die sichert, dass sich Druckfarben beim Papierrecycling entfernen lassen. Auch Klebstoffe müssen ablösbar sein. Schließlich sollen mit dem Blauen Engel der Energieverbrauch, Abfall und umweltbelastende Emissionen verringert werden. Auch dafür gibt es genaue Vorgaben, etwa den Nachweis eines Energiemanagements oder eine Zertifizierung nach EMAS.

    Es ist also viel zu tun, um einen Blauen Engel auf ein Druckprodukt zu bekommen. Es gibt ihn auch nicht umsonst: Beantragung und Verwendung verursachen Kosten. Die, so betont Andrea Rimkus von der RAL gGmbH, lägen allerdings »um ein Mehrfaches günstiger« als etwa bei der EU-Eco-Blume. Auch kleinere und mittlere Druckereien hätten reale Chancen, da Gebühren nach Jahresumsatz sehr gestaffelt erhoben würden. Schließlich gilt: Die Vergabekriterien sind Mindeststandards. Hersteller dürfen sie natürlich übertreffen, etwa nur Farben auf Pflanzenölbasis oder ausschließlich Ökostrom verwenden. Und: Wer keinen Zeichenvertrag schließen will, aber die Vergabekriterien einhält, kann trotzdem vermerken, dass ein Druckprodukt den Maßgaben entspricht. Einen Blauer Engel-Stempel gibt es dann freilich nicht.

     

    Der Blaue Engel

    Er ist das wohl bekannteste, in Deutschland seit 1978 vergebene Umweltzeichen (UZ) für umweltschonende Produkte und Dienstleistungen; als Zeicheninhaber fungiert das Bundesumweltministerium. Am Vergabeverfahren beteiligt sind außerdem das Umweltbundesamt, das die Anträge entgegennimmt, die RAL gGmbH als Zeichenvergabestelle und die Jury Umweltzeichen, die als unabhängiges Beschlussgremium die Vergabeentscheidung trifft.

    Der Blaue Engel soll umweltfreundliche Entwicklungen und Alternativen erkennbar machen. Die so gekennzeichneten Produkte sind umweltfreundlicher als andere aus der jeweiligen Produktgruppe. Das Label soll Verbraucher lenken, es konnte in vielen Branchen Standards dauerhaft anheben. Bisher gibt es drei Blaue Engel, die Papierhersteller und Druckereien nutzen konnten: RAL-UZ 14 für Recyclingpapier, UZ 56 für Recyclingkarton und UZ 72 für Druck und Pressepapier mit hohem Altpapieranteil.

    Benjamin Bongardt Philip Scholl Benjamin Bongardt

    Fragen an Benjamin Bongardt, Naturschutzbund Deutschland (NABU)


    Sie sitzen neben dem BUND-Vertreter für die Umweltverbände in der Jury Umweltzeichen ...

    Ich bin beim NABU für Ressourcenpolitik zuständig und vertrete ihn seit 2012 in der Jury. Wir entscheiden dort über die Inhalte der Vergabegrundlagen, debattieren durchaus noch mal mit Experten. Es muss auch nicht im Konsens entschieden werden, obwohl das häufig der Fall ist. Grundsätzlich geht es darum, etwas für die Umwelt zu erreichen, aber auch die Wirtschaft mitzunehmen und machbare Kriterien aufzustellen.

    Der Blaue Engel wird deshalb oft auch als »kleinster gemeinsamer Nenner« gesehen. Ist er dennoch vertretbar?
    Wir als Umweltverbände stehen voll und ganz hinter ihm, weil er vertrauenswürdig die Kaufentscheidung für Verbraucher erleichtert. Herstellern ermöglicht er, sich mit besseren Umweltwerten vom Massenmarkt abzugrenzen. Etwa die oberen 20 Prozent der Produkte sollen Blauer-Engel-würdig sein. Wir empfehlen das Umweltzeichen ...

    ... auch im Papierbereich?
    Auch da. Allenfalls hat sich hier über die lange Geltungsdauer eine gewisse Gewöhnung eingeschlichen und es gibt viel Luft nach oben. Der Blaue Engel hat den Anspruch, den Fortschritt
    voranzutreiben. Das geht nicht immer reibungslos, wie die Debatte FSC versus PEFC zeigt.

    Für Sie geht der Trend eindeutig zu mineralölfreien Farben?
    Ein Druckprodukt umweltfreundlich zu recyceln, gelingt nur, wenn keine Stör- oder Schadstoffe enthalten sind. Dass Papierfabriken heute noch beim Deinking der Pflanzenölfarben Probleme haben, heißt nicht, dass die Druckverfahren nicht umgestellt werden können. Es gilt für mich ganz klar das Verursacherprinzip. Da sind die Verlage am Zug ...

    Zertifizierungen, die für den Blauen Engel Druckprodukte von Bedeutung sind

    Andere Label

    EU-Ecolabel EU-Ecolabel EU-Ecolabel  – EU-Ecolabel: Die Euro-Blume ist das Umweltzeichender Europäischen Gemeinschaft. Es stellt Forderungen an ökologischen Stoffeinsatz und umweltfreundliche Herstellung, jedoch nicht an nachhaltige Forstwirtschaft. Für Druckprodukte müssen ausschließlich Papiere mit EULabel verwandt werden, die »überwiegend« aus nachwachsenden Rohstoffen stammen.
    Climate Partner Climate Partner Climate Partner  – Climate Partner. Klimaneutral: Nach verschiedenen Klimaschutzmodellen werden Druckprodukte klimaneutral gestellt. Grundlage ist die Ermittlung der CO2-Emission für ein Druckerzeugnis entlang der Produktionskette in einer Druckerei. Der errechnete CO 2-Fußabdruck soll durch die Unterstuützung von weltweiten Klimaschutzprojekten kompensiert werden. Kritiker sprechen von Ablasshandel, da messbare Einsparziele damit nicht zwingend verbunden sind.