Ausgabe 6/2014

    Mauerblümchen Semikolon

    Mauerblümchen Semikolon

    Sprachwart Thomas Klefisch Sprachwart

    Es war einmal ein Germanistikprofessor, der pflegte seinen Studenten listig zu sagen: »Am Semikolon erkennt man den guten Stilisten.« Prompt wimmelte es in der nächsten Seminararbeit nur so von Semikolons (Gebildete sagen Semikola, Spaßvögel Semikolonnen). Heute begegnen wir dem Strichpunkt, der zum ersten Mal 1629 in einer Grammatik erwähnt worden ist, leider nur noch selten. Manche wissen nicht einmal, wo sich das Zeichen auf der Tastatur befindet. Übrigens müsste es Punktstrich heißen, weil Strichpunkt eher auf das Ausrufezeichen zutrifft. Es handelt sich um ein Mittelzeichen, das im Wert zwischen Komma und Punkt rangiert. Böse Zungen behaupten, es sei das Satzzeichen der Unentschlossenen. In Wirklichkeit setzt es Entscheidungen voraus, zwingt zum Denken, erlaubt feine Abstufungen. Es kann einen Stakkato-Stil, wie er durch kurze, unverbundene Hauptsätze leicht entsteht, vermeiden. Als Faustregel gilt: Zwei aufeinander bezogene Hauptsätze werden mit dem Strichpunkt etwas stärker voneinander getrennt als mit einem Komma, aber nicht so stark wie mit einem Punkt. Es kommt zu einem eleganten Kompromiss. Ein Beispiel: »In Großbritannien kritisieren vor allem Behinderte die Sterbehilfe; sie befürchten eine Sparmaßnahme des Staates.«

    Oft steht nach dem Semikolon eine nebenordnende Konjunktion wie deshalb, denn, außerdem, wobei, jedoch. Ein sichtbares Zeichen dafür, dass der zweite Satz den ersten begründet, aus ihm eine Folgerung zieht, etwas ergänzt oder einen Gegensatz betont. Bei Aufzählungen macht das Semikolon Gruppen erkennbar, beispielsweise auf einer Einkaufsliste: Reis, Nudeln, Makkaroni; Möhren, Kohlrabi, Blumenkohl; Leberwurst, Blutwurst, Salami. Auch bei der Programmierung und Eingabe in Datenbanken leistet es gute Dienste. – Zumindest einen Grund gibt es, warum das Semikolon nicht aussterben wird: Weil es bei den Smileys gebraucht wird. ;-)soll so viel bedeuten wie Lächeln und Augenzwinkern, nicht zu verwechseln mit: ;-) =) im Sinne von »großes Grinsen«.

    Dietrich Lade