Ausgabe 6/2014

    Windräder

    Windräder

    Ob man den GDL-Chef Weselsky nun einen mutigen Lokführer-Führer nennt oder das gesamtgesellschaftliche Konsensarschloch, auf das alle Mainstream-Medien mit dauererigiertem Moralzeigefinger deuten, eines muss man ihm lassen: Er hat mit seinem Bahnstreik sichtbar gemacht, dass immer noch Klassenkampf herrscht. Und zwar von oben. Da wird die Telefonnummer
    des Gewerkschafters von »Bild« und seine Privatadresse vom »Focus« veröffentlicht. Das ist so, als würde man die verurteilten Steuerhinterzieher und »Focus«-Chefs mal einen Tag öffentlich an ein Windrad hängen. Nicht aufhängen! Nur morgens dran, abends ab. Am nächsten Tag hängen wir da andere DÖDEL hin. Wobei DÖDEL die Abkürzung ist für: Deutschlands Ökonomen, die
    Elite der Leistungsgesellschaft. Was wäre, wenn wir anfangen würden, so Arbeitsplatzvernichter und Boni-Abzocker anzuprangern? Alle hätten gute Laune, selbst im Stau auf der Autobahn – Hauptsache, ein Windrad ist in Sichtweite. Machen wir aber nicht. Stattdessen lassen wir zu, dass selbst sozialdemokratische Bundesminister das Streikrecht aushöhlen wollen – Stichwort Tarifeinheit –, nur weil der Lokführerstreik jetzt mal ein bisschen wehtat. Da wird allenthalben geklagt, dass Lokführer oder Piloten ihren Tarifstreit auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen. Hallo? Es ist genau Sinn und Zweck eines Streiks, größtmögliche Wirkung zu entfalten. Wenn nun Politiker so was zum Anlass nehmen, Gesetzesänderungen durchzudrücken, kann man sicher sein, dass das nicht die Rechte der Arbeitnehmer stärken wird. Man sollte vielleicht noch mal über die Idee mit den Windrädern nachdenken

    Robert Griess