Ausgabe 6/2014

    Die Druckindustrie im Umbruch

    Die Druckindustrie im Umbruch

    So funktionierte Fotosatz 1982 bei Plambeck in Krefeld. Werner Bachmeier Fotosatz 1982  – So funktionierte Fotosatz 1982 bei Plambeck in Krefeld.

    Von Constanze Lindemann

    In den letzten Novembertagen rief der Internationale Arbeitskreis Druck- und Mediengeschichte (IADM) ins Deutsche Zeitungsmuseum nach Wadgassen (Saarland), zu seiner Jahrestagung 2014. Es ging um brisante Historie, die gerade mal über zwei Druckergenerationen zurückblickt: um den Übergang vom Buchdruck zum Fotosatz in den 1970erund 1980er-Jahren. Der Arbeitskreis vereint Druckhistoriker aus Technikgeschichte wie aus Druck- und Verlagspraxis mit Museumspädagogen, Bibliothekaren, Setzern und Druckern. Über Veröffentlichungen und Tagungen will man eine breite Fachöffentlichkeit erreichen, Theorie und Praxis miteinander verbinden.

    Qualifikation und Arbeitszeit
    In einem der Referate stellte Karsten Uhl von der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität am Beispiel der Betriebsräte in der »Stuttgarter Zeitung« und bei Gruner + Jahr dar, wie diese 1976 und 1977 bei der Einführung der »bleifreien Zeitung« und der Aufstellung von neuen Rotationsmaschinen versuchten, den Verlust erworbener Qualifikationen und technischer Kenntnisse nicht einfach als Dequalifikation der Kollegen zu beschreiben. Weiterbildung, das »Mehr an Wissen«, die Fähigkeit, dass alle alles machen, die zunehmende Übersicht über den Gesamtprozess bedeuteten eben auch eine Erweiterung der traditionellen Facharbeiterqualifikationen. Dabei spielte die gewerkschaftliche Strategie eine wesentliche Rolle, die Arbeit am Computer nicht, wie von Unternehmensseite gewünscht, »den flinken Händen von Hausfrauen« zu überlassen, sondern zu fordern, dass die elektronische Texterfassung und Gestaltung weiterhin von qualifizierten Facharbeitern ausgeführt werden sollte. Ralf Roth, Professor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, beschrieb in seinem Vortrag die Ziele der IG Druck und Papier bei Einführung der neuen Technik: Erhalt der Arbeitsplätze, Qualifizierung, Gesundheitsschutz und Arbeitszeitverkürzung. Der 1975 bis 1977 erarbeitete gewerkschaftliche Tarifvertragsentwurf, der insbesondere die Facharbeiterbindung und die Bedingungen für die Arbeit am Bildschirm festschrieb, wurde 1978 per Streik durchgesetzt. Auch der Kampf um die 35-Stunden-Woche ab 1984 war eine gewerkschaftliche Antwort auf die Herausforderungen der neuen Technologien. Diese verändern in immer kürzeren Abständen die Produktionsverfahren und stellen Gewerkschaften wie Beschäftigte bis heute vor existenzielle Herausforderungen.Die Tagung zum Umbruch in der Druckindustrie dokumentierte auch einen Wandel im Herangehen. Denn wohl zum ersten Mal in der über 30-jährigen Geschichte des Historiker-Arbeitskreises saß die Gewerkschaft in Person von Kurt Haßdenteufel mit am Zeitzeugentisch. Er war Betriebsratsvorsitzender in der »Saarbrücker Zeitung«, bis er als hauptamtlicher Sekretär bei der IG Druck und Papier arbeitete und schließlich in den Hauptvorstand gewählt wurde. »1978 waren wir 1.200 Kolleginnen und Kollegen im Betrieb, heute sind es noch 370«, beschrieb Haßdenteufel eine der zentralen Folgen des technologischen Umbruchs. Aber, so fügte er hinzu, das sei nicht nur Ergebnis technischer Entwicklung, »sondern auch der Auslagerung von Produktion und fehlender Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei technischen Veränderungen«.
    Thematisch spannte sich der Bogen von der Erfindung der ersten Computer im grafischen Gewerbe bis zur Entwicklung neuer Berufsbilder und Ausbildungsordnungen. Kritisch wurde in der Diskussion angemerkt, dass vergleichbare Wandlungen in der DDR nicht beleuchtet wurden. Auch hätte die gewerkschaftliche Seite noch stärker besetzt sein sollen. – Immerhin ein Anfang.