Ausgabe 6/2014

    Mehr Verlässlichkeit und Gerechtigkeit

    Mehr Verlässlichkeit und Gerechtigkeit

    Element Druck werkzwei/David Bärwald Element Druck

    Missmutig schaut sich Ayfer Tas im Betriebsratsbüro um. Der Raum ist zu klein für die neun Betriebsratsmitglieder; ein weiterer Tisch, ein Schrank und mehrere Stühle fehlen, das Fax ist auch nicht eingerichtet. Also noch mal einen Brief schreiben.
    Was für viele Betriebsräte selbstverständlich ist, muss sich die freigestellte Betriebsratsvorsitzende bei der Firma Druck- und Verlagsdienstleistung (DVD) mühsam erkämpfen. Die Firma hat einen Werkvertrag mit dem Druckzentrum Rhein Main in Rüsselsheim und führt für die Druckerei die Weiterverarbeitung aus. Betriebsräte bei Werkvertragsfirmen gibt es nicht oft. Auch in Rüsselsheim hat das nicht von Anfang an geklappt. Kaum hatte sich der Betriebsrat im Januar konstituiert, sind nacheinander drei Mitglieder zurückgetreten. Eine Betriebsrätin war noch einen Tag zuvor bei der Personalleitung – danach gab sie ihr Amt auf. An Zufälle glaubt hier keiner. Das Gremium war nun so geschrumpft, dass neu gewählt werden musste. Der neue Betriebsrat ist seit September im Amt und beschäftigt sich genau mit den Problemen, die ausschlaggebend waren, einen Betriebsrat zu initiieren. »Die Stundenverteilung ist ungerecht«, stellt Ayfer Tas fest. Manch ein Produktionshelfer wird verlässlich sechs Mal pro Woche eingesetzt, kennt die meisten Maschinen und kann mit einem festen Einkommen rechnen. Anderen wiederum fehlt die Einweisung für bestimmte Maschinen, sie schaffen es im Monat lediglich auf 50 oder 100 Stunden. Wer wann arbeitet, erfahren die rund 250 Beschäftigten oft kurzfristig.

    Dienstpläne und Fristen

    Feste Arbeitszeiten sind auch nicht in den Arbeitsverträgen festgelegt. Dort wird auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz verwiesen. Darin steht, dass bei Arbeit auf Abruf lediglich eine Arbeitszeit von zehn Stunden pro Woche gilt. Mehr Verlässlichkeit und mehr Gerechtigkeit in den Dienstplänen soll nun eine Betriebsvereinbarung bringen, die ein von ver.di vermittelter Rechtsanwalt für den Betriebsrat entworfen hat. »Der Arbeitgeber hat hier einseitig Dienstpläne festgelegt und die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats übergangen«, sagt Daniel Schäfer.
    Die wesentlichen Punkte der Vereinbarung: Im Dienstplan sollen künftig Anfangs- und Endzeiten der Schicht stehen und die Pläne für die darauffolgende Woche müssen spätestens freitags dem Betriebsrat vorliegen. Über die Vereinbarung wurde monatelang verhandelt. Erst als der Betriebsrat ankündigte, die Einigungsstelle einzuschalten, in der unter Vorsitz eines Arbeitsrichters ein Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber geschlichtet wird, lenkte der Arbeitgeber ein.
    An den niedrigen Stundenlöhnen wird sich vorerst nichts ändern: 8,70 Euro verdienen die Produktionshelfer; Weihnachts- und Urlaubsgeld gibt es nicht, aber Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit. Wie passen diese Niedriglöhne zur Geschäftspolitik des Druckzentrums? Dazu will sich der Sprecher der Geschäftsführung nicht äußern. Nur so viel: Gesellschafteranteile an der Werkvertragsfirma besitzt das Druckzentrum nicht. Die gehört zur TMI-Gruppe, die je nach Bedarf Personal verleiht oder ganze Teams zum Dauereinsatz liefert und »leistungsgerecht entlohnte Mitarbeiter« verspricht. Konkret: Etwa 100 Stunden bekomme sie im Monat zugewiesen, erzählt eine Helferin. Macht 870 Euro brutto, knapp 700 Euro netto: »Ich kann mir nur wenig leisten.« Nicht wenige Abrufhelfer müssen ihren kargen Lohn mit Hartz IV aufstocken. Und wer neu eingestellt wird, hat nur einen befristeten Vertrag.

     

    Zum Hintergrund

    2010 schlossen das Medienhaus Südhessen (»Darmstädter Echo«) und die Verlagsgruppe Rhein Main (»Mainzer Allgemeine Zeitung«) ihre Druckhäuser in Darmstadt und Mainz, entließen alle 400 Beschäftigten und eröffneten das tariflose Druckzentrum Rhein Main in Rüsselsheim. Die Weiterverarbeitung hat das Druckzentrum an die Firma Druck- und Verlagsdienstleistung ausgelagert. Werkverträge mit Fremdfirmen gibt es inzwischen viele. Nachdem sich 2012 abgezeichnet hatte, dass sich die Gewerkschaften mit Branchenzuschlägen für Leiharbeiter/innen durchsetzen werden, gingen Unternehmen dazu über, ganze Arbeitspakete an Fremdfirmen zu vergeben.

    Den Missbrauch von Werkverträgen einzudämmen, hat sich auch die Große Koalition aus CDU/ CSU und SPD vorgenommen. Passiert ist bislang noch nichts. Ein Informationsrecht für Betriebsräte, wie dort vorgesehen, reicht ver.di jedoch nicht. Die Gewerkschaften fordern stattdessen, dass Betriebsräte das Recht bekommen sollen, dem Einsatz von Fremdfirmen die Zustimmung verweigern zu dürfen.

    Michaela Böhm